Es ist noch gar nicht so lange her, dass “Waveboy” von Mia Morgan der überraschende Indie- Hit eines letzten normalen Sommers war. Nun veröffentlicht die Künstlerin aus Kassel mit “Fleisch” ihr
Debütalbum voll düsterem Pop und abgründigen Texten.

„Gruftpop“ hieß ihre erste EP, die Anfang Juli 2019 erschien und bereits damals für Aufmerksamkeit
sorgte. „Waveboy“ avancierte bei vielen zum heimlichen Lieblingslied und das Video zu „Es geht dir gut“ entfachte eine neue Welle der Tumblr-Nostalgie – schwer zu sagen, ob Mia Morgan den Nerv der Zeit gut trifft oder es einfach selbst ist. Ebenso wie die EP wurde nun auch „Fleisch“ produziert von Max Rieger, der bekannt ist als verlässliche Größe für eingängige Kantigkeit und bereits mit Künstler:innen wie Drangsal, Ilgen-Nur oder Jungstötter arbeitete. Zwischen Kassel und Berlin und zwischen diversen Lockdowns entstanden so 12 dichte, funkelnde Songs wider der schlecht gelaunten Antihaltung der deutschen Musikszene.

Auf Albumlänge zeigt sich Mia Morgan jetzt mit weniger Gruft, dafür mit mehr Pop, der sich freimütig an allen Genres bedient und überhaupt mehr von allem bietet. Mehr Höhen, mehr Tiefen, mehr Rohheit, mehr Äußerlichkeiten, mehr Innerlichkeiten, mehr Haut, mehr Fleisch. “Fleisch”, das sind schreckliche Geschichten schön erzählt – Zombies im Süßigkeitenladen und blutverschmierte Prom-Queens im Folterkeller. Die Texte zielen da hin, wo es wehtut und Morgan schont sich selbst am wenigsten in der öffentlichen Selbstoffenbarung. Ihre Sprache ist dabei stets feministisch, sexpositiv, ermächtigend und Beispiel einer neuen Generation politischer Musiker*innen, für die Pop mit Haltung kein Flex, sondern Selbstverständlichkeit ist. Es ist ein Coming-of-Age-Album geworden, das den Struggle des Erwachsenwerdens genauso thematisiert wie die langen, kalten Finger lange zurückliegender Traumata. Und es ist ein Album über’s Mädchensein in einer Welt, in der manchmal nichts Schwerer ist als die Existenz im eigenen Kopf und Körper.