Individuell gestaltete College-Jacken für guten Zweck sind heiß begehrt
Gerade will Saskia Behrens eine ihrer schwarz-weißen, individuell für den Käufer gestalteten Collage-Jacken einpacken, als der Paketbote klingelt. „Bestimmt neue Jacken“, sagt sie, als der Bote hinter einem Turm aus drei großen Pakten nahezu verschwindet. „Im Moment kann ich die ja täglich nachbestellen“, kommentiert die Macherin von Kalles Co-Werkstatt in der Kornstraße 283 den Besuch des Paketdienstleisters. Denn mit den Jacken hat sich eines der zahlreichen Projekte der 35-Jährigen gerade etwas verselbstständigt.
Angefangen hat alles am „Kallentinstag“ dieses Jahres. „Das ist so eine von mir eingeführte kleine Tradition“, erklärt Behrens. Die Gründerin von Kalles Co-Werkstatt startet an jedem 14. Februar eine kleine Aktion in Bremen, um der „Stadt etwas Gutes zu tun und ihr Danke zu sagen“, wie sie es ausdrückt. Denn die gebürtige Bremerin empfindet die Hansestadt als einen besonderen Ort der Möglichkeiten.
Tatsächlich hat sie mit ihrer Werkstatt selbst so einen besonderen Ort geschaffen: Die rund 160 Quadratmeter können gewerblich wie privat inklusive allerlei Handwerksgerät gemietet und genutzt werden, um eigene Projekte zu verwirklichen. Sie ist aber auch Treffpunkt für Workshops einer neuen, kreativen Do-it-yourself-Bewegung, die dem individuell und handwerklich gefertigten Werkstück wieder eine gesteigerte Wertschätzung zukommen lässt. Solche Werkstücke stehen dann auch häufig im Mittelpunkt des „Kallentinstags“. „Wir haben mal für den Roland einen vier Meter langen Wollschal gestrickt“, erinnert sich Behrens.
In diesem Jahr standen nun College-Jacken im Fokus, die zugleich einem guten Zweck dienen. Denn im Grunde kommt der gesamte Erlös der Jacken dem SOS-Kinderdorfzentrum in der Neustadt zu Gute. „Ich verdiene daran nichts“, betont die gelernte Mediengestalterin.
Allerdings ging es ihr nicht einfach um Oberbekleidung für einen guten Zweck. Für Behrens ist mit den Jacken eine Botschaft verknüpft, die sich in den zwei Slogans „Support the Kids“ auf dem Rücken der Jacke und etwas kleiner auf der rechten Vorderseite „Support the makers“ ausdrückt. Mit diesen Slogans werden die Jacken von ihr und der mittlerweile eingespannten Familie in Person von Mutter und Lebenspartner „beflockt“, wie es fachlich korrekt heißt. Es ist die übliche Technik, um Textilien individuell zu gestalten. Auch die Rückennummern und Namenszüge der Werder-Spieler kommen so auf den Trikotstoff. Außer diesen beiden Slogans darf jeder Käufer auf der linken Hälfte der Vorderseite noch einen eigenen Namenszug oder was immer gewünscht hinterlassen.
Die Jacken hat sie am „Kallentinstag“ indes nicht an Bremen verteilt, sondern im April auf einem mit vielen weiteren Machern gemeinsam organisierten eintägigen Pop-up-Shop in Kalles Co-Werkstatt verkauft. Dafür hatte sie am 14. Februar lediglich etwas Werbung gemacht. „Wir hatten 30 Jacken vorgefertigt und dachten, das war‘s“, erzählt sie.
Ständig neue Jackenwünsche
Doch ständig erhielt sie neue Jackenwünsche. Schließlich nahm eine Freundin von ihr, die Berliner Sängerin Meral Al-Mer, die Jacken mit auf Deutschlandtour und in ihren Online-Shop als Merchandisingprodukt auf. Auch das zentrale Fundraising von SOS-Kinderdorf unterstützt das Projekt nun auf diversen Kanälen in den sozialen Medien. Das Ergebnis: „Wir mieten jetzt noch eine weitere Halle an, weil wir Lagerplatz für die Bestellungen brauchen“, berichtet Saskia Behrens. Dabei werde auch gleich die Co-Werkstatt erweitert. Und bei der Gelegenheit suche man auch noch einen am liebsten holzverarbeitenden Handwerker als Mitmieter.
Unterdessen helfen Mutter und Freund nicht nur bei der Gestaltung der Jacken, sondern auch bei Verpackung und Versand. „Unser abendlicher Besuch der Paketstation ist schon ein festes Ritual.“
Den Erfolg ihrer individualisierten Collage-Jacken erklärt sich Behrens aber nicht nur mit der Unterstützung durch Dritte oder dem guten Willen, der Produkten für einen guten Zweck gemeinhin entgegengebracht werden. „Es steckt einfach viel Liebe in dem Projekt. Und ein Slogan wie ‚Support the Kids‘ betont das Positive. Er lädt den Jackenbesitzer zur Identifikation ein. Er setzt nicht auf die Mitleidsmasche, um für eine gute Sache zu werben“, sagt die langjährig in der Werbung Beschäftigte.
Auch das Image von Collage-Jacken als äußeres Symbol der Zugehörigkeit zu einer Gruppe trage zum Erfolg bei, sagt sie. „Mit der Jacke wird man Teil einer guten Bande, der Goodgang.“ Unter genau dem Stichwort oder auch Hashtag „Goodgang“ finden sich zahllose Bilder von Jackenbesitzern aus ganz Deutschland auf Online-Plattformen. Bei den Kindergrößen fügt Behrens den Paketen zusätzlich kleine, wasserlösliche Tattoo-Folien hinzu, unter anderem mit dem Schriftzug Goodgang. „Bandenmitglieder sind schließlich tätowiert“, bemerkt sie lachend.
Die unbeschrifteten Jacken werden über den Großhandel bezogen. Sie werden speziell für beliebige Werbezwecke als markenfreie Textilie in Pakistan gefertigt und sind WRAP-zertifiziert. Das Kürzel steht für „Worldwide Responsible Accredited Production“ und garantiert, dass alle rechtlichen Standards bei der Produktion eingehalten werden, wie zum Beispiel das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, gewerkschaftliche Rechte, faire Entlohnung, Sozialleistungen und der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.
Inzwischen denkt Behrens schon weiter. „Also jetzt kommt nicht die Goodgang-Mütze oder das T-Shirt, aber wir wollen vielleicht ein paar Events um die Sache herum machen“, verrät sie. Den Auftakt dazu markiert bereits das Neustädter Musik- und Kulturfestival Summer Sounds, wo sie etwas über das Projekt erzählen wird. Außerdem wird Meral Al-Mer auftreten und den Online-Verkaufserlös der Jacken von der Webseite der Band an Behrens zurückgeben. „Wir basteln gerade an der Webseite ‚goodgang.de‘. Da werden die Jacke und alles weitere ab 12. August ein richtiges Zuhause im Netz bekommen“, freut sich die Macherin.